Rat und Weisungen

 

 

Auf die drei Bewusstseinszustände Thereses in den Jahren 1926-62 ist bereits hingewiesen worden. Die Beschreibung des ekstatischen Zustands bedarf jedoch noch einer Spezifizierung, zumal er in zwei Formen auftrat. Demnach ist zu differenzieren zwischen dem Zustand, in dem sie Schauungen erlebte, und dem erhobenen Ruhezustand. Letztgenannter Zustand trat nach fast jedem Empfang der hl. Kommunion ein, gelegentlich auch zwischen den Passionsvisionen. Sie empfand dabei eine glückselige Verbundenheit mit Christus.

 

Im Gegensatz zur Ekstase bei Visionen war sie während des erhobenen Ruhezustands ansprechbar. Entweder auf Befragung oder auch aus eigener Initiative konnte sie über Personen, Sachen oder Ereignisse aus dem zeitgenössischen Geschehen Aussagen mit außergewöhnlichem Charakter treffen. Das Außergewöhnliche bestand darin, daß der Aussagegehalt ihr Wissen und Bewußtsein im gewöhnlichen Zustand überstieg. „Die Person des mit ihr Sprechenden war durchschaut, und manchmal wurden ... ohne Vorwurf persönliche Bemerkungen aus dem Vorleben des Betreffenden gemacht, oder es wurden Antworten im Gespräch auf eine Frage gegeben, ehe man die Frage formuliert und gestellt hatte. Es war möglich, über Probleme zu sprechen, die dem eigenen oder dem Seelenheil anderer dienten ... es wurden zuweilen sogar persönliche Ratschläge gegeben.“ (Steiner, Lebensbild Therese Neumann, S. 34) Aus diesem Zustand kehrte Therese direkt in den gewöhnlichen Zustand zurück. Sie konnte sich nun aber nicht mehr an die im erhobenen Ruhezustand geäußerten Aussagen erinnern.

Beispielhaft für Ratschläge aus dem erhobenen Ruhezustand sind die Warnungen, die sie diversen von Nationalsozialisten verfolgten Personen erteilte. Sie ermahnte z.B. Dr. Fritz Gerlich, der sich mit seiner Zeitung ‚Der gerade Weg‘ den nationalsozialistischen Machthabern widersetzte, während seines Aufenthaltes in der Schweiz, nicht wieder nach Deutschland zurückzukehren. Er nahm die Warnung jedoch nicht ernst, wurde bald nach seiner Einreise verhaftet und nach 16 Monaten Internierung in Dachau 1934 ermordet. Auch Pater Ingbert Naab OFM Cap teilte Therese mit, daß sein Leben bedroht sei. Ohne Kenntnis über den tatsächlich bereits gegen ihn erteilten Haftbefehl, befolgte er Thereses Rat umgehend. Bis die SA in seinem Kloster eintraf, war ihm gerade noch die Flucht in die Schweiz geglückt.

 

Abgesehen von den Weisungen im erhobenen Ruhezustand gab Therese auch im gewöhnlichen Zustand denjenigen, die mit ihren Anliegen und Nöten nach Konnersreuth gekommen waren, Rat, Trost und Hilfe. Viele wurden durch sie in ihrem Glauben bestärkt, einige entdeckten ihn neu oder fanden erst durch sie zum Glauben, wie zum Beispiel Dr. Fritz Gerlich, Bruno Rothschild, Erna Herrmann-Haven und Hermann Becker. (Becker, S. 24ff, S. 156 ff, S. 221 ff)

 

Thereses Fähigkeit, hilfreiche Weisungen und Ratschläge voller Lebensweisheit zu erteilen, sprach sich schnell herum. Auch wenn die massenweise eintreffenden schriftlichen und mündlichen Anfragen für Therese kaum zu bewältigen waren, versuchte sie, einem jeden Bittsteller gerecht zu werden. Sie verweigerte jedoch ihre Hilfeleistung, sobald sie den Eindruck gewann, daß jemand sie als Hellseherin oder Wahrsagerin behandelte. Sie legte entschiedenen Wert darauf, daß jeder zur Kenntnis nahm, daß all ihre Phänomene nicht durch ihr Einwirken hervorgerufen, sondern ihr auf übernatürliche Weise gesendet wurden.

 

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